Freitag, 7. April 2017

Prolog


1 Woche vor Ausbruch des Virus


Langsam atmen. Tief und konzentriert atmen. Das Ziel anvisieren. Entspannen.
Diese Dinge hörte Elena schon seit Jahren von ihrem Trainer und immer wieder bemerkte sie wie wichtig das Entspannen war, denn war sie verspannt so verzog sie viel eher den Bogen und ihr Pfeil landete nicht in der Mitte der Zielscheibe.
Sie konzentrierte sich und lies die Sehne los. Der Pfeil flog schnell und kraftvoll in Richtung Zielscheibe und bohrte sich mit einem erstaunlich lauten Geräusch in den roten Kreis.
Sie wollte schon lächeln und vielleicht ein wenig jubeln, aber im nächsten Moment schlug ihr schon jemand mit einem Hefter auf den Kopf.
„Du hast zu lange gebraucht! Jetzt stell dir mal vor jemand würde dich angreifen und du brauchst so lange um zu zielen, du bist tot ehe du den Pfeil losgelassen hast!“, brummte eine Stimme hinter ihr und als Elena sich umdrehte blickte sie in das hagere Gesicht ihres Trainers. Seine grauen Haare hingen ihm ein wenig ins Gesicht und seine braunen Augen hatten einen gräulich-milchigen Rand. Er hatte sich mal wieder einen Bart wachsen lassen und seine Klamotten sahen so aus als wären sie nicht gebügelt worden. Er tat Elena ein wenig leid, denn seit seine Frau ihn verlassen hatte lies er sich gehen und sie vermutete sogar das er nicht ein mal wusste wie man bügelte.
„Aber warum sollte mich denn bitte jemand angreifen?“, wagte sie zu zweifeln und bekam dafür direkt noch mal eines über gebraten.
„Das sollte nur ein Beispiel sein und jetzt mach es noch mal!“, fuhr er sie an und trat einen Schritt zurück um sie schießen zu lassen.
Und diesmal schoss sie nach einem Blick auf die Zielscheibe direkt und traf punktgenau in die Mitte. Sie trainierte seit zehn Jahren mit Pfeil und Bogen und seit sie einige Filme über Robin Hood gesehen hatte setzte sie alles daran genau so gut zu werden wie er. Natürlich war das in den Filmen alles nur gestellt, dennoch wollte sie es können und so konnte sie nach einigem Training ohne groß zu Zielen die Mitte der Scheibe treffen, einem Menschen einen Apfel vom Kopf schießen und an sehr, sehr guten Tagen konnte sie sogar ihren zuvor abgeschossenen Pfeil spalten. Das war ihr aber bis jetzt nur zwei mal gelungen und so bildete sie sich nicht wirklich etwas drauf ein.
Mit leicht hochgezogener Augenbraue wandte sie sich an ihren Trainer , der ohne ein Wort zu sagen nickte und dann auf die Uhr deutete.
Ein Blick auf die Uhr genügte und Elena begann zu fluchen. In einer halben Stunde musste sie es schaffen einen Weg zurück zu legen der eigentlich eine Stunde dauerte, um ihren kleinen Bruder aus der Vorschule abzuholen und ihn nach Hause zu bringen. Da heute ihr freier Tag war musste sie das wohl oder übel übernehmen, da ihre Eltern außer Landes waren und man sich auf ihren Halbbruder Randall nicht verlassen konnte.
Dieser sture und eigensinnige Junge brachte sich in mehr Schwierigkeiten als er alleine bewältigen konnte.
Schnell zog sie sich um und rannte los. Ein mal mehr dankte sie den Engeln dafür das sie früher sehr viel mehr Sport gemacht hatte und dadurch schnell war und genug Ausdauer besaß um den Weg tatsächlich in einer halben Stunde durch zu rennen.
Außer Atem kam sie in der Vorschule ihres Bruders an und sah ihn schon mit seiner Lehrerin vor der Schule sitzen.
Da sie den Bogen einfach geschultert hatte, schüttelte ihr Bruder nur grinsend den Kopf und verabschiedete sich von seiner Lehrerin um Elena ein Stück entgegen zu laufen.
Ihr Bruder Spy war der süßeste und netteste Junge den sie kannte und Elena vergötterte ihn abgöttisch. Eigentlich hieß er Spyridios aber alle riefen ihn dank Elena Spy, wollte sie doch nicht das er schon mit seinen nur fünf Jahren wegen seines Namens gehänselt wurde.
Spy hatte die selbe Augenfarbe wie Elena, ein Grau das viel eher an Silber erinnerte nur das dieser Glanzeffekt fehlte. Auch seine Haare waren wie die ihren in einem dunklen Braun gehalten das in der Sonne manchmal einen leichten Rotstich aufwies.
Für sein Alter war er ziemlich klein, denn er erreichte nicht einmal die 1,10m und Elena machte sich Sorgen das er immer etwas kleiner bleiben würde als die Meisten. War es als Frau nicht schlimm und wurde als süß oder liebreizend angesehen so wurden Männer nicht wirklich als voll genommen wenn sie zu klein waren.
Grinsend lief ihr kleiner Schatz neben ihr her und summte leise. Es schien als wäre sein Tag klasse verlaufen und das freute Elena, denn alle hatten sich Sorgen um ihn gemacht. Er war weit intelligenter als seine Altersgenossen und langweilte sich schnell wenn er nicht gefördert wurde.
„Na was soll ich dir heute kochen?“, fragte sie einfach munter drauf los.
Ihr Bruder blickte sie von unten herauf an und sah sie mit strahlenden Augen an.
„Kannst du mir Lasagne machen? Bitte, bitte.“
Kurz überlegte sie ob es sich lohnte eine Lasagne zu machen, da weder ihre Eltern da waren noch ihr Halbbruder. Randall war seit einer Woche bei einem Freund und ihre Eltern besuchten Verwandte in Griechenland.
Als sie aber in die hoffnungsvollen Augen ihres Bruder blickte, dessen Lieblingsessen Lasagne war, schmiss sie alle Bedenken über Bord und nicke ihm zu, machte in Gedanken aber schon einen Sprung und fragte sich ob ihre Pfeile schon angekommen waren.
Ihre alten waren abgenutz und ihr Trainer hatte ihr nahe gelegt sich neue zu bestellen, was sie auch gemacht hatte. Die fast schon zweihundert Pfeile würden wohl einige Zeit reichen.
Während er jubelte liefen sie gerade an einem Mann vorbei der Elena einfach im Gedächtnis hängen bleiben würde, denn er sah gut aus. Blonde Haare, braune Augen und durch trainiert, doch leider konnte sie ihn nicht weiter mustern da sie an einander vorbei liefen.



James hätte sich fast nach der jungen Frau umgedreht an der er eben vorbei gelaufen war, denn gefallen hatte sie ihm definitiv. Lange, gewellte, braune Haare und fast schon silberfarbene Augen. Ein schlanker und durch trainierter Körper, an dem ihre engen Klamotten wie eine zweite Haut gesessen hatten und dieser Blick ihrer silbernen Augen...er konnte gar nicht anders als sich vorzustellen sie in seinem Bett zu haben.
Schnell schüttelte er den Kopf, denn erstens würde er sie wahrscheinlich eh nicht wieder sehen und zweitens war er auf den Weg zu seiner Schwester. Nach fünf Jahren Haft würde er sie nun zum ersten mal wieder sehen, vor allem aber würde er seinen Neffen endlich kennen lernen. Der Kleine war keine zwei Jahre alt und seine Schwester hat ihren Sohn nach ihrem Bruder benannt.
So manch einer hätte vielleicht gesagt das es dumm von ihm gewesen war Selbstjustiz zu üben, oder es zumindest zu versuchen, aber er selbst hatte nicht einfach weiter leben können hätte er es nicht versucht. John Williams war ein mal einer von James besten Freunden gewesen, sie waren zusammen aufgewachsen und James hatte ihm vertraut.
Bis dieses Arschloch es gewagt hatte Annie, James jüngere Schwester, zu vergewaltigen und sich aus dem Staub zu machen. Die Polizei hatte seine Spur recht bald verloren, doch James, der mit John aufgewachsen war, wusste wie er dachte und wo er sich verstecken würde. Also war er losgezogen, hatte ihn aufgespürt und so lange auf ihn eingeschlagen bis jemand die Polizei gerufen und diese ihn von John weg gezerrt hatte.
Vor Gericht hatte James ohne mit der Wimper zu zucken zugegeben das es seine Absicht gewesen war John zu töten und so sehr der Richter ihn auch verstand, so musste er sich doch leider an die Gesetze halten und James wegsperren.
Durch die Wärter hatte er zwei Wochen später erfahren das John von einem anderen erschossen wurde, dessen Freundin er ebenfalls vergewaltigt hatte.
Das hatte James milder gestimmt und er hatte die fünf Jahre im Gefängnis gut überstanden, er hatte sogar einige mehr oder weniger 'gute' Freunde gewonnen. Er war durch seine Zeit im Gefängnis fitter geworden, da man sich gegen die richtig bösen Jungs verteidigen und durchsetzen musste.
Voller Vorfreude lief er schneller, da er schon das Haus seiner Schwester und ihres Mannes sah.



Marigold Turner sah lächelnd aus dem Fenster als die Kinder ihrer Nachbarin an ihrem Garten vorbei liefen. Die Tochter lebte noch bei ihren Eltern um ihnen mit ihrem Restaurant und der Erziehung des Jungen zu helfen, denn bei ihrer Mutter war Krebs diagnostiziert worden und für die Familie war es natürlich ein großer Schock gewesen.
Als vor einigen Jahren ihr eigener Mann gestorben war, hatte die junge Elena ihr viel Gesellschaft geleistet. Die damals vierzehnjährige war jeden Tag nach der Arbeit vorbei gekommen um mit Marigold über ihren Mann zu sprechen.
Ihr Mann, Edward Turner, war vor acht Jahren bei einem Autounfall ums Leben gekommen und Marigold war kurz davor gewesen sich das Leben zu nehmen und wäre in diesem Moment nicht zufällig Elena vorbeigekommen um nach ihr zu sehen, so würde sie jetzt sicher nicht mehr unter den Lebenden weilen.
Mittlerweile war sie dankbar dafür das Gott jemanden geschickt hatte um ihr Leben zu retten.
Edward hätte sicher nicht gewollt das sie ihr Leben vorzeitig beendete.


tbc

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