Ihre Welt war schon immer dunkel
gewesen. Dunkel und leer.
Morgen, Mittag, Abend, das alles waren
nur Zeitangaben für sie. Sie sah nicht, wann die Sonne schien, sah
nicht wann sie ihr Zenit erreichte und erblickte die schönen
Sonnenuntergänge nicht. Sie spürte, wann die Sonne ihr Antlitz
zeigte, denn dann erwärmte sich alles um sie herum, so auch die Luft
und ihre eigene Haut.
Sie sah die Vögel nicht, sie hörte
sie. Sie sah ihren Hund Waldgeist nicht, sie hörte ihn, um sich
herum, neben ihrem Bett oder draußen wenn er bellte. Er war ein
guter Hund, wusste immer wann er bei ihr sein musste und wen er in
ihre Nähe kommen lassen konnte.
Sie sah ihre Mama nicht, sie hörte und
fühlte sie nur, wenn sie nach ihr rief oder sie von ihr in den Arm
genommen wurde.
Sie sah ihren Papa nicht, sie hörte
ihn nur durch die kleine Hütte stapfen, die sie bewohnten und spürte
ihn, wenn er sie hoch hob und auf seinen Schultern durch die Gegend
trug.
Ihr Papa beschütze sie vor allem was
kam und er hatte auch die kleine Hütte gebaut und so gemacht das sie
nicht Gefahr lief sich zu verletzen.
Den Boden um die Kochstelle und das
Feuer hatte er aus Steinen gemacht, sodass sie immer wusste wieweit
sie gehen konnte ohne sich zu verbrennen. Aber es hatte lange Monate
gedauert, bis sie das gelernt hatte.
Sie sah auch sich selbst nicht, wenn
sie mit ihrer Mama am Teich saß und den Vögeln bei ihrem Gesang
zuhörte.
Ihre Mama hatte ihr ein mal gesagt,
dass sie Haare in der Farbe des Blutes hatte, in denen in der Sonne
Flammen zu tanzen schienen. Und das ihre Augen wohl blau gewesen
wären, hätten sie eine normale Farbe und nicht diesen milchigen
Film, den sie seit ihrer Geburt hatten.
Sie wusste wie Blut roch, wie das
Metall das ihr Papa zum arbeiten verwendete, aber sie wusste nicht
was für eine Farbe Blut hatte.
Blau...was mochte das wohl für ein
Aussehen haben? War es genau so dunkel, wie alles was sie sah oder
war es heller als die Dunkelheit in ihrer Welt?
Nun, was auch immer Blau war, es war
egal geworden.
Sie spürte etwas warmes über ihre
Wange, Arme und Beine laufen und wusste das es Blut war. Sie hatte
viele Kratzer vom rennen, aber das meiste von dem Blut war nicht ihr
eigenes, sondern das ihrer Mama und ihres Papas. Sie hatten versucht
sie zu beschützen, aber der böse Mann hatte ihnen weh getan. Er
hatte eine ganz seltsame Stimme, so als wäre er eine Schlange, denn
diese zischelten auch immer so rum.
Papa und der böse Mann hatten sich
gestritten und plötzlich war etwas Warmes auf sie getropft. Sie
hatte erst gar nicht verstanden was passiert war, bis ihre Mama sie
in den Arm genommen und ihr befohlen hatte ganz weit weg zu rennen.
Bevor sie sich aber von ihrer Mama weg bewegen konnte, war wieder
Blut auf sie drauf geflossen und etwas Spitzes hatte sie in die
Schulter gepieckst.
Der böse Mann hatte versucht sie fest
zu halten, aber Waldgeist hatte gebellt und dann hatte sie den bösen
Mann schreien hören. Waldgeist hatte ihn wohl gebissen und sie
nutzte diesen Moment und drehte sich um und rannte den gewohnten Weg
aus der Hütte hinaus und in den Wald hinein.
Ein paar Minuten von der Hütte
entfernt hatte sie sich in ihr Versteck gequetscht und hatte ganz
lange gewartet. Dort, unter den Wurzeln eines Baumes, hatte sie
angefangen zu verstehen das sie ihre Mama und ihren Papa nicht mehr
wieder sehen würde.
Sie wurde sehr traurig, aber sie traute
sich nicht zu weinen, aus Angst der böse Mann würde sie finden und
dann auch töten.
Lange hatte sie sich dort versteckt,
aber irgendwann war sie aufgestanden und war den ihr bekannten Pfad
zum Königsweg gefolgt.
Nun saß sie hier, irgendwo auf dem
Königsweg, war allein und verloren und ihr liefen die Tränen aus
ihren nutzlosen Augen. Sie war ein kleines Mädchen, kaum sechs
Jahre alt, und hatte nun niemanden mehr zudem sie gehen konnte.
Schniefend strich sie sich die Tränen
von den Wangen, denn sie hatte das Getrampel von Pferdehufen gehört
und auch das laute Gerede von Menschen. Immer näher kamen die Pferde
und sie stand mit wackeligen Beinen auf, als auch schon ein Pferd vor
ihr zum stehen kam.
„Geh mir aus dem Weg Mädchen oder
mein Pferd wird dich zertrampeln“, hörte sie einen tiefe Stimme
sagen und blickte nach oben. Sie wusste nicht, wo genau der Kopf des
Mannes war und so irrte ihr Blick ein wenig umher.
„Aber, aber mein lieber Brigan, so
spricht man doch nicht zu einem Kind, das augenscheinlich verletzt
und verängstigt ist“, sprach nun eine weitere Stimme neben der
Ersten.
„Natürlich, Ser Rodrik“, stimmte
ihm der Erste zu.
„Wie heißt du denn, meine Kleine und
was ist dir widerfahren?“, fragte die zweite Stimme, Ser Rodrik sie
und so wie es sich anhörte, stieg er von seinem Pferd.
Schritte nährten sich und sie hörte,
wie etwas schweres auf dem Boden aufkam und das nächste mal als Ser
Rodrik sprach, war seine Stimme auf ihrer Höhe.
„Na, wer hätte das gedacht, du bist
ja blind meine Kleine“, murmelte er und eine Hand legte sich auf
ihren Kopf.
Schnell senkte sie ihren Blick und
versuchte von ihm weg zu kommen. Ihre Mama hatte immer gesagt, wenn
jemand merken würde, dass sie blind sei, würden ganz schlimme Dinge
passieren können.
Eine Hand an ihrem Arm hinderte sie
daran weiter zurück zu weichen und sie blickte wieder dort hin wo
Ser Rodrik sein musste.
„Du brauchst keine Angst vor uns zu
haben meine Kleine, aber sprich nun. Wie lautet dein Name und was ist
geschehen, dass du voller Blut bist.“
Vorsichtig öffnete sie ihren Mund,
schloss ihn aber wieder ohne etwas gesagt zu haben. Sollte sie diesem
Mann glauben? Schaden konnte es aber auch nicht, oder?
„Mein Name ist Thalestris und meine
Mama und mein Papa sind tot“, murmelte sie und sah wieder gen
Boden.
Wieder hörte sie ein Pferd näher
kommen und sogleich sprach auch eine weitere Stimme, die der ihres
Papas sehr ähnlich war, auch wenn sie wusste das er es nicht sein
konnte.
„Ser Rodrik, was hält uns auf?
Winterfell wartet darauf das ich zurück kehre.“
„Mi'lord, dies ist Thalestris und
ihre Eltern weilen nicht mehr unter uns. Sie ist blind Mi'lord und
ich glaube nicht das es eine weise Entscheidung wäre, sie hier zu
lassen“, versuchte Ser Rodrik sich zu erklären, doch schon bevor
er zu ende geredet hatte, hörte Thalestris wie der Mann von seinem
Pferd abstieg und auf sie zukam.
„Deine Eltern sind also tot?“,
hörte sie ihn fragen und nach einem Nicken ihrerseits fuhr er fort.
„Und du hast sonst niemanden?“
Schnell schüttelte sie den Kopf und
spürte plötzlich, wie ihr die Tränen wieder über die Wangen
liefen. Trotzig versuchte sie, die Feuchtigkeit auf ihrem Gesicht mit
dem Ärmel ihres Kleides weg zu bekommen, scheiterte aber kläglich.
„Es ist keine Schande um seine Eltern
zu weinen, Mädchen“, hörte sie Ser Rodrik flüstern, aber sie
schüttelte noch ein mal den Kopf.
„Ich will nicht weinen. Mama und Papa
waren immer traurig, wenn ich geweint habe und wenn sie jetzt bei den
alten Göttern sind, sehen sie das ich weine. Ich will nicht das sie
wieder traurig werden“, sagte sie und unterdrückte ein
Schluchzen.
Wie aus dem Nichts landete eine Hand
auf ihrem Kopf, warm und tröstend.
„Tapfere kleine Wölfin. Willst du
mit mir kommen? Ein Teil meines Hauses werden, eine Stark von
Winterfell? Zwar nicht vom Blute, aber doch vom Geiste ein Teil der
Familie? Meine Frau hätte sicher nichts gegen eine weitere Tochter,
auch wenn du ein wenig älter bist als Sansa. Das wird sie vielleicht
von Jon ablenken“, hörte sie wieder die Stimme sagen, die der
ihres Papas nicht unähnlich war.
Thalestris konnte nicht glauben, was
ihr angeboten wurde. Eine Familie, jemand der sich um sie kümmerte
und dem es egal war, dass sie blind war. Sie würde Geschwister haben
und eine Mama und einen Papa.
Unter Tränen nickte sie und spürte
gleich darauf, wie sie hochgehoben und auf etwas abgesetzt wurde, das
sich bewegte. Ängstlich klammerte sie sich an die Arme, die um sie
gelegt wurden und bald schon setzte sich das Ding unter ihr in
Bewegung.
tbc
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